Ohne Moos nix losFilmtipp: „Ich will mich nicht künstlich aufregen“

Asta1

In Ich will mich nicht künstlich aufregen scheint wirklich alles möglich zu sein: Adorno trifft auf Acne, Kulturschickeria auf Mieterkampf, Autoren-Theater auf amerikanische Sitcoms und eine TV-Kommissarin auf Joachim Gauck.

Max Linz’ DFFB-Abschlussfilm Ich will mich nicht künstlich aufregen war einer der Geheimtipps der letzten Berlinale. Auf der sehr verspielten Webseite des Films findet man unter anderem dokumentarische Aufnahmen aus dem Filmhochschularchiv. Eine monotone Erzählerstimme wendet sich an die Studentenschaft: „Alle Mittel für die Wahrheit. Fordere diese Möglichkeiten und Mittel. Anspruchslosigkeit ist hier gefährlich und unangebracht.“ Die Bilder in körnigem Schwarzweiß, sie stammen aus dem Jahre 1969, wirken wie aus einer völlig anderen Zeit. Noch unzeitgemäßer erscheint die Vorstellung, dass das Kino ein Mittel zur Wahrheitsfindung sein könnte, denn dieser Kampf ist offensichtlich längst verloren. Wer einen politisch und künstlerisch relevanten Film sehen will, der muss heutzutage schon ins Museum oder ins Filmarchiv gehen, im Programmkino um die Ecke wird er nur schwerlich fündig werden. Dass dies einmal anders war und auch wieder anders werden könnte, daran versucht Max Linz mit Ich will mich nicht künstlich aufregen zu erinnern.

Asta2

Als der Protagonistin des Films, Asta Andersen (Sarah Ralfs), aufgrund eines kritischen Radiointerviews die Mittel gestrichen werden, sieht sie sich um die Möglichkeit gebracht, ihre Ausstellung „Das Kino. Das Kunst.“ zu realisieren. „Ohne Moos nix los“ heißt es für Asta, die sich plötzlich in der Situation wiederfindet, die so viele Kunst- und Kulturschaffende in Berlin und in anderen Teilen Deutschlands nur allzu gut kennen.

Doch wer entscheidet eigentlich darüber, wer öffentliche Gelder für die Realisierung seines Projekts zugesprochen bekommt? Sind es wirklich unabhängige Kuratorien, oder ist am Ende vielleicht sogar der Bundespräsident höchstpersönlich dafür verantwortlich? Darf man als junger Filmemacher das Recht einfordern, seinen Beruf nach den eigenen Vorstellungen auszuüben? Und passen Klassenkampf und Haute Couture wirklich nicht zusammen? Dies sind nur einige wenige Fragen, die Linz sich und seinem Publikum stellt. Antworten gibt es wenige. Muss es auch nicht. Denn lange hat kein deutscher Film mehr so eine gelungene Diskussionsgrundlage für eine gesellschaftlich relevante Debatte geliefert wie Ich will mich nicht künstlich aufregen. Dabei ist vieles klug, einiges provokant und manches vielleicht nicht ganz unproblematisch.

Allen Umständen zum Trotz hat es Ich will mich nicht künstlich aufregen nun in einige deutsche Kinos geschafft. In Berlin kann man den Film sogar schon einen Tag vor dem offiziellen Start in der Volksbühne sehen und im Anschluss dann trefflich über ihn diskutieren.

Ich will mich nicht künstlich aufregen
Deutschland 2015
Regie und Buch: Max Linz
Produktion: Maximilian Haslberger
Kamera: Carlos Andrés Lopez
Musik: Tamer Fahri Özgönenc
Darsteller: Sarah Ralfs, Hannelore Hoger, Pushpendra Singh, René Schappach, Barbara Heynen, Luis Krawen u.a.
Laufzeit: 84 min
ab dem 8.1.2015 im Kino

Mix der Woche: Albrecht WasserslebenRunaway

Auf dem Weg: Berlin-Kreuzberg, 2014Eine Kamera, ein Bild und seine Geschichte