Wochenend-WalkmanDiesmal mit John Beltran, Submerse und Little Simz

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.

John Beltran Everything At Once Cover WW17122016

John Beltran – Everything At Once

Ji-Hun: Der aus Michigan stammende Künstler und Produzent John Beltran ist einer der konstantesten Musiker im elektronischen Musikgeschäft. Mit „Everything At Once“ erscheint das mittlerweile 13. Album seiner Karriere und sein drittes auf Delsin. Beltran kann viel: Perfekten Ambient, exzellentes Sounddesign. Auf diesem Album arbeitet er sich mal eben an 90er Jahre IDM, Postrock und Krautreferenzen ab und frühe Warp-Einflüsse wie Autechre oder Aphex Twin schimmern immer wieder durch den Modular-Gerätepark. „Everything At Once“ ist eines dieser runden, kohärenten Elektronikalben, die selten geworden sind. Ästhetisch in Harmonie und Sounddesign, gelungene Dancefloorexkursionen und ein Storytelling, das seinen Namen verdient.

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Submerse – Works

Thaddeus: Das Jahr ist sowas von vorbei und ich ertrage nur noch unscharfes Flirren. Da passt es umso besser, dass der große Submerse ein ebenso großes Best-of veröffentlicht hat. Und das sein bester Track, „Bokeh“ – das passt zur Unschärfe – zum Glück Teil der Compilation ist. Der vielleicht größte Moment eines großen Künstlers. Ein Track, der mich regelmäßig 347 Jahre in die Vergangenheit katapultiert, als ich diese eine Maxi von Danny Breaks ergatterte, die mit ihren Glissandi ja eigentlich genauso funktioniert. Vorne das verwischte Motiv, dahinter die verhallten Sprach-Samples, erst dann die Beats. Ich mag an Submerse vor allem die vermeintliche Einfachheit, das Offensichtliche, die Ins-Visier-Nahme der Herzensangelegenheiten. Zumindest mit der Einfachheit jedoch ist aber lediglich ein Gefühl. Etwas klar und deutlich zu produzieren, ist ja oft genug das Schwierigste überhaupt. Eine Aufgabe, die Rob Orme erst perfektioniert hat und sich dann dafür ein Copyright sicherte. Sanft fließen die Tracks dahin. Immer unscharf, immer freundlich, immer auch ein bisschen traurig. Immer voll und ganz Submerse.

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Little Simz Stillness in Wonderland

Little Simz – Stillness in Wonderland

Benedikt: Eigentlich war die immer noch erst 22-Jährige Londonerin ja seit dem Release ihres Debütalbums vor zirka einem Jahr nonstop beschäftigt. Erst die eigene Tour, dann an Seite von Lauryn Hill, Nas und Kehlani durch die USA. Aber irgendwie muss Simbi Ajikawo zwischendurch in jenes Wunderland eingetaucht sein, in dem mehr Zeit zur Verfügung steht und das Studio immer gleich um die Ecke ist. Auch wenn wir das Studio nicht zu sehen bekommen, ins Wunderland nimmt Little Simz uns mit. Aber paradiesische Zustände herrschen dort wieder nicht – alles andere hätte bei Little Simz auch überrascht. „You know what I'm sipping, I'll teach you how to mix it. I Don’t Trust These Bitches“ – zitiert sie Drakes „Trust Issues.“ Erst „Shotgun“, zusammen mit Syd von „The Internet“ und wunderbarer R’n’B-Hook sorgt für die ersten Feelgood-Momente – und ruft einem in Erinnerung: Achja, Sittle Simz kann ja rappen. Der harte, schnelle Flow, zu dem Little Simz (auch live) eigentlich fähig ist, geht auf der ersten Hälfte des neuen Albums ein bisschen unter. Waschechter HipHop kommt erst mit zusammen mit dem unschlagbaren Grime-Flow von Chip aus den Speakern, dann aber so richtig. Da ist sie wieder, die Londonerin mit dem zu großem Hoody und dem Drink in der Hand. Wurde auch Zeit. „Bad To Bone“ führt diesen Sound weiter, nur die Hook kommt von Bibi Bourelly in bester Anlehnung an Rihannas „Bitch Better Have My Money“. Auf Lovesong-Manier in „Poison Ivy“ folgt nach einem Interlude mit „Low Tides“ ein Song, der in jeder Hinsicht an ihre vorherigen Releases erinnert. Mit „No More Wonderland“ ist der weiße Hase verschwunden. Welcome Back. Zum Album gibt’s gleich noch einen Kurzfilm und ein Statement der Künstlerin, weshalb ich nicht groß auf Lyrics eingehe. Jede Zeile von Little Simz scheint nah, ehrlich, authentisch – so real, dass es fast nervt. Die Künstlerin lässt wenig Platz für eigene Vorstellungen, Interpretationen. Da sie die Kontexte ihrer Releases und Songs erläutert, gleich noch einen Film dazu liefert, bleiben die Verse und mit ihnen die so prägenden Emotionen stets ihre alleinigen. Das war von Anfang an so, aber hier ist es schade, denn es nimmt der „Wunderland-Metapther“, dem Hauptmotiv des Albums seine Kraft.

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