Black Country, New Road, Biosphere, Dalmata Daniel x Exiles x FarbwechselWochenend-Walkman – 05. Februar 2021

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Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Black Country, New Road, Biosphere und den Labels Dalmata Daniel, Exiles & Farbwechsel

Black Country, New Road For the First Time Cover

Black Country, New Road – For The First Time

Ji-Hun: Prinzipiell ist es im Februar weit zu früh, um von einem Album des Jahres zu sprechen. Und generell sind auch wir keine großen Fans von solchen Auszeichnungen. Aber ich verstehe, wie auch in diesem Falle, schon, dass man manchmal irgendwo hin muss mit seiner Begeisterung, wenn eine Band und ihre Produktion einen fast sprachlos zurück lässt. Black Country, New Road ist eine junge Band aus London und besteht aus Luke Mark (Gitarre), Isaac Woods (Vocals, Gitarre), May Kershaw (Keys), Lewis Evans (Saxophon), Charlie Wayne (Schlagzeug), Georgia Ellery (Violine) und Tyler Hyde (Bass). „For The First Time“ ist der pragmatische Titel des Debüt-Albums, das auf Ninja Tune erscheint und nicht Sub Pop oder City Slang. Pragmatisch auch die Song-Titel „Instrumental“, „Opus“ oder „Track X“, fast so, als solle nichts vom Wesentlichen, der Musik, ablenken. So entschied man sich auch für ein generisches Unsplash-Stockfoto als Covermotiv. Nix mit Poesie, Metaebenen, visueller Kunst – wie unprätentiös und befreiend. Dafür muss man aber auch erstmal so gut sein wie Black Country, New Road. Ich denke beim Hören an Billy Mahonie, Shellac, Slint, Talking Heads und John Zorn. Aber Black Country, New Road sind trotz des junge Alters variabler und offener als alle. Das verarbeite ich erstmal. Das könnte noch ein paar Wochen dauern. Wie großartig spannend.

Biosphere Angels Flight Cover

Biosphere – Angel’s Flight

Thaddi: Hi, ich bin’s. Der, der Neo-Klassik so gerne basht und doch rein gar keine Ahnung von Klassik hat. Ist leider so. Meine Lektüre von Alex Ross hinterließ mich bislang letztendlich ratlos, Selbstversuche mit kuratierten Playlists in der Streaming-Welt endeten im Nirgendwo, also bei „den besten Requiems“, in denen ich im Selbstmitleid baden konnte. Für sein neues Album hat der Norweger Geir Jenssen, dessen Werk ich über alles schätze, das Streichquartett 14 von Beethoven bearbeitet – eine Auftragsarbeit, natürlich. Ohne das Original zu kennen, geschweige denn einschätzen zu können, trudele ich sofort in seine ganz eigene Sound-Ästhetik hinab – und fühle a) sauwohl und b) ein bisschen allein gelassen. Hier gibt es viel, womit ich unmittelbar etwas anfangen kann. Das leichte Zerren, das endlose – sonisch ganz offenkundige Dehnen bestimmter Motive, das Spielen mit Hell und Dunkel, das kurze Antäuschen mehr oder weniger unbearbeiteter Original-Zitate, bevor es sofort wieder in die Schaltkreise geht. Das klingt im Groben wie ein verwunschener Zauberwald, aus der Nähe bislang undefinierbar anziehend. Vielleicht, weil es so einen Bruch zu seinen ambienten Album-„Hits“ darstellt, vielleicht auch nur, weil mit der Realitätsabgleich bislang halt abgeht. Ein Wochenende voller Erkenntnisse steht mir bevor. Hoffentlich.

dalmata daniel x exiles x farbwechsel

Dalmata Daniel x EXILES x Farbwechsel

Benedikt: Drei Labels, eine Stadt. Dalmata Daniel, Exiles und Farbwechsel aus Budapest haben sich für dieses Monster von Compilation zusammengetan. Sage und schreibe vier Stunden werden hier von ihren Stamm-Artists, jüngsten Signings und Musikfreunden bespielt. Abseits einiger weniger Namen wie S Olbricht oder Imre Kiss erscheint mir die Tracklist komplett kryptisch. Wie so oft im Techno aus Richtung Osteuropa geht’s hier insgesamt recht düster, rau und rumpelig zu. Trotzdem ist das hier mitnichten reines und erst recht kein eintöniges DJ-Material, auch wenn die Technogepeitsche mit Tracks wie dem von AGA2L nicht fehlen darf. Nicht schlimm, der kantige Electro von CT Kidobó macht die Nummer gleich vergessen. Új Látásmód Fúzió liefert super quirligen Acid auf Ungarisch, auch aus Qvirk tönt noch diese verspielte Unbefangenheit, die in Berlin irgendwie abhanden gekommen scheint. Bei Alley Catss sieht das schon wieder anders aus, ihr Stück „charge“ würde wunderbar ins Kraftwerk passen - als Soundinstallation versteht sich. Ich hab noch immer eine Stunde vor mir, bin aber schon längst erstaunt und begeistert über diese ausgiebige Selektion. Diese Grüße aus Budapest werden wohl die erste Techno-Scheibe des Jahres sein, die bei mir deutlich länger als ein Wochenende währen darf.

Pageturner – Literatur im Februar 2021Cécile Wajsbrot, William M. Brandon III, Douglas Stuart

Leseliste 06. Februar 2021 – andere Medien, andere ThemenSchweiz, Ärger, Bodyshaming und Talkshow-Rassismus