„Wir wären Ayrton Senna. Brillant und die Besten!“Nick Mason, Drummer von Pink Floyd, im Interview

Nick Mason

Eine knappe Stunde nördlich von London befindet sich Rendcombe Airfield. Ein Flugzeughangar mit Ursprung im Ersten Weltkrieg, der nun zu großen Teilen von Nick Mason, dem Schlagzeuger von Pink Floyd aka eine der größten Bands aller Zeiten zwecks Beherbergung seiner umfangreichen Autosammlung genutzt wird. Mason sammelt Rennautos, knapp 40 Boliden sind darunter und ist zudem selber passionierter Rennfahrer. Wir bekamen Einlass in diese heiligen Hallen, wo neben einem Ferrari 250 GTO, ein Panhard Levassor von 1901, ein McLaren F1 oder aber auch ein Ferrari 512S zu bewundern sind.

Der letztere spielte im Film „Le Mans“ mit niemand Geringerem als Steve McQueen am Steuer die Hauptrolle. Man ist in der falschen Zeit geboren, denkt man sich. Zu spät, um ein großer Rockstar zu werden, aber auch zu spät, um automobile Geschichte so erfahren zu haben wie Nick Mason. Die Passion für Autorennen ist in seinem Falle aber keine starhafte Allüre, er bekam sie quasi in die Wiege gelegt. Ein Gespräch mit einem wahrhaftigen Gentleman über die vermeintliche Entwertung der Musik, Sounds in Autos und wieso der Nürburgring die beste Rennstrecke aller Zeiten ist.

Pink Floyd stand seit jeher für die große musikalische Geste und den großen Sound. Heute scheint so ein Konzept fast undenkbar. Was ist mit Pop passiert?

Ich denke mittlerweile schon, dass es eine goldene Ära gab. Kurz vorm Ende des Vinyls hatte fast jeder eine wirklich gute Musikanlage zuhause. Große Lautsprecher, man hat sich Gedanken um die Positionierung dieser gemacht. Man setzte sich hin und hat einfach ein Album gehört. Und auch wenn man davon ausgegangen ist, dass die CD für viele den Gipfel der Soundwiedergabe darstellt. In Wirklichkeit aber scheint das menschliche Ohr noch immer den Sound einer Schallplatte zu bevorzugen, er erscheint natürlicher. Man kann natürlich physikalisch argumentieren, dass eine CD ein weiteres Spektrum wiedergibt und sauberer klingt. Man hat so viel Zeit und Arbeit darin investiert alles Rauschen, Klicken und Knacksen zu eliminieren, dass man irgendwie vergessen hat, was ein guter Sound ist. Als Musikhörer hat man sich früher auch intensiver mit den Einstellungen einer Anlage auseinandergesetzt. Herausgefunden, was dem persönlichen Geschmack am nächsten ist, das ist mit heutigen Geräten gar nicht mehr möglich.

Verhält es sich mit Autos genauso? Waren Autos früher besser als heute?

Nein. Natürlich muss man wissen, was man mit „besser“ meint. Autos sind heute um einiges einfacher zu bedienen, natürlich könnte man monieren, dass das Fahrgefühl von alten Autos ein anderes ist. Aber der wichtigste Punkt ist doch die Sicherheit. Autos sind so viel sicherer geworden und die Wahrscheinlichkeit bei einem Unfall zu überleben, ist um einiges gestiegen. Wie man sieht, habe ich natürlich eine große Leidenschaft für alte Autos und habe zu denen auch eine Art persönliche Beziehung, so wie ich auch eine Beziehung zu meinen Musikinstrumenten habe. Sie können Charakter haben, eine Art Seele, die mit der Zeit gewachsen ist, das kann man von einem nagelneuen Auto natürlich nicht erwarten.

Worum geht es dann überhaupt bei alten Rennautos? Was macht ihren Reiz aus?

Ich bin ein alter Rockschlagzeuger und kein Philosoph (lacht). Aber es gibt durchaus einige Faktoren, die man erwähnen kann. Eine wichtige Sache ist wie gesagt, dass man Beziehungen zu mechanischen Objekten aufbauen kann, auch wenn es banal klingen mag. Ein alter Bugatti, wenn man den anfasst und berührt, es ist was anderes als ein modernes Auto. Das Interface ist persönlicher und direkter. So ein Auto ist wie ein Instrument, auch wenn das prätentiös klingt. Wenn eine Fender Stratocaster von der Fabrik kommt, sind sie erstmal alle gleich. Aber nach einer Zeit entwickelt man eine Beziehung zu der Gitarre und nach 20 Jahren ist es eine besondere Maschine und etwas ganz anderes als noch zu Beginn.

Rendscombe

Nick Mason zwischen Ferrari Daytona und einem uralten Bugatti

gto

Vom Ferrari 250 GTO wurden zwischen 1962 und 1964 insgesamt 39 Stück gebaut. Er gilt als der teuerste Wagen aller Zeiten. 2012 wurden Exemplare für 35 Mio.$ verkauft.

Damals wie Heute

Musikkritiker merken gerne an, dass in heutigen Zeiten Bands wie Pink Floyd oder die Beach Boys gar nicht mehr denkbar wären. Die gesamte Musikindustrie war pompöser. Man hatte andere Produktionsbudgets. Popmusik war noch ein unentdecktes Territorium.

Was richtig ist, ist die Tatsache, dass das Verständnis von Musik im 21. Jahrhundert eine andere ist, als noch zu früheren Zeiten. Musik wurde entwertet. Da gehört aber der gesamte Komplex dazu. Die Diskussion um Piraterie, Copyright, Musik wurde immer billiger. Für die meisten ist es natürlich toll, weil man für Musik nichts mehr zahlt. Aber persönlich glaube ich, dass ein Song wie „Stairway to heaven“, der uns damals alle von den Socken gehauen hat und uns fast in eine Depression gestürzt hat, weil er so gut klang, heute als Supermarkt-Muzak, über kleine, schlechte Lautsprecher gespielt und dann auch noch unter Umständen umsonst runtergeladen. Da kann keiner eine Wertschätzung aufbringen.

Das ist Teil des Problems: Wenn man keine gute Struktur hat und keine finanzielle Basis, mit der man als Musiker sein Leben bestreiten kann. Da wird es schwierig an seinen Fähigkeiten und Talenten zu arbeiten, sich als Band weiterzuentwickeln, sich mit Technologien kreativ auseinanderzusetzen. Als Pink Floyd 1967 anfing groß zu werden, da gab es so etwas wie eine Leiter. Man machte einen Schritt nach dem anderen nach oben. Erst ging es darum, jemanden zu finden, der meinte man wäre gut genug für die Welt da draußen, der wurde vielleicht dein Manager. Der ging zu den Plattenlabels, man ging daraufhin in ein Studio und so fort. Das ist heute vorbei. Die Plattenfirmen haben alle kein Geld, es gibt kein Budget dich zu promoten. Klar, es gibt alte Bands, die heute auf Tour gehen, 30 Jahre alte Songs spielen und 100 Pfund für ein Ticket verlangen. Die bauen auf ihrer Reputation auf, es sei ihnen vergönnt. Aber neue Musik zu entdecken, die zu pushen, jungen Bands eine Möglichkeit zu geben, sich entwickeln zu können. So ein Modell zu entwickeln, scheint mir wichtig und genau das fehlt, keine Frage. Alle reden noch über die Arctic Monkeys als das große Internetding. Aber die Wahrheit ist doch, dass die weit vor ihrem Hype schon ein Label hatten und alles nur so verkauft wurde, als wäre es eine MySpace-Entdeckung. Das zählt also nicht.

Die Welt war auch ein bisschen „einfacher“ nicht so komplex, allwissend und digitalisiert wie heute.

Musik ist heute nicht mehr so bedeutend, wie es damals gewesen ist. Heute ist es viel schwieriger Mick Jagger zu sein, weil damals war ein Mick Jagger die größte Story auf dem Planeten. All die Dinge kommen also zusammen. Aber ich glaube an eine Wende zum Besseren hin. Kinder lieben doch Musik. Die kann man erziehen, man muss einen Künstler nicht beklauen. Genauso wenig, wie man denen beibringt eine Bank auszurauben. Wenn Kinder oder Jugendliche einen Künstler lieben, dann kann man denen auch zeigen, dass es nicht richtig ist, sie zu berauben. Man beklaut doch keine Menschen, die man mag.

ferrari 512

In diesem Ferrari 512S saß Steve McQueen für den Film "Le Mans" am Steuer

Nick Mason Helm

Der Motorsport wurde Nick Mason quasi in die Wiege gelegt. Bereits sein Vater war ein passionierter Rennsportler.

Der Sound

Gibt es eine Verbindung zwischen dem Sound eines Motors und Rockmusik?

Die einzige Verbindung ist die Erinnerung. Der Sound eines Bugatti lässt dich an Rennen denken, daran, wie man am Steuer sitzt und einen Parcours fährt. Bei Musik ist es ganz ähnlich. Man denkt zum Beispiel an die erste große Liebe oder die ersten Drogenerfahrungen oder was auch immer. Aber das eine ist ein Geräusch, das andere ist Musik. Das ist offensichtlich. Da gibt es Ähnlichkeiten, aber ein V12-Motor ist noch immer keine Musik, er macht einen Sound, der Freude bringen kann, aber das war‘s dann auch (lacht).

Was ist das bestklingende Auto der Welt?

Mit einer Millionen Meilen Vorsprung ist es der BRM V16. Da kommt nichts auch nur annähernd dran. Es ist ein V12 auf Steroiden. Es ist der ultimative Sound von Kraft, Technik und Explosion.

Wie bist du zum Autorennen gekommen?

Mein Vater hat Filme über Rennfahrer gedreht und war selber einer. Er hat mich früher zu seinen Rennen mitgenommen. Daher müss ich auf die Frage, ob Musik oder Autorennen früher in meinem Leben gewesen ist, immer mit Autorennen antworten. Weil der Faktor existierte schon, bevor ich überhaupt geboren wurde.

Du warst also Rennfahrer, bevor du Musiker geworden bist.

Ich war zuallererst Fan.

Was macht den Reiz von Autorennen aus?

Es ist in gewisser Hinsicht komplementär zum Musik machen. Man entscheidet vollständig für sich alleine. Man teilt nicht, wie in einer Band, man entscheidet nicht gemeinsam, was als nächstes kommt. Es ist individualistischer. Ich mag die Präzision daran. Es geht mir gar nicht so sehr um Geschwindigkeit. Motorrennen sind genauso spannend in einem Citroen 2CV wie in einem Porsche 956. Es ist eine Frage des Timings. Es ist ein bisschen wie beim Golf spielen, wo man versucht, die absolute Präzision zu erlangen. Aber das Soziale ist genauso interessant, man trifft sich und spielt mit seinen Sachen. Mädchen setzen sich hin und reden. Jungs treffen sich und packen ihre Spielsachen aus. Es geht ums Teilen von Erfahrungen.

Um auf das Timing zurückzukommen. Das ist deiner Ansicht nach also das Wesentliche beim Rennen fahren?

Ich denke ja. Ich würde gerne darüber mit jemandem wie Jackie Stewart reden. Du brauchst jemanden, der die Erfahrung aus den vergangenen Jahrzehnten hat. Heutige Formel 1-Fahrer hätten ja überhaupt keine Ahnung, wie man ein altes Auto zu fahren hat. Aber eigentlich geht es immer darum, den schnellsten Weg zu finden und diese Ideallinie wird auf einer Strecke immer die gleiche sein.

Der Widerspruch

Es erscheint aber wie ein Widerspruch, wo es zum einen um Adrenalin, Spontanität. Reaktion, Schnelligkeit und Intuition geht und zum anderen geht es wieder um stille Kontemplation wie beim Golfen?

Das ist richtig. Aber es handelt sich aber auch um ein Missverständnis, wenn man Rennen im Fernsehen sieht, oder auch das Bild, das durch die Presse vermittelt wird. Die Fahrer selbst sind während eines Rennens ja ziemlich ruhig und unaufgeregt. Denkt man an die großen Fahrer wie Alain Prost oder Michael Schumacher ist das Große bei denen doch, die Art und Weise wie sie während der Fahrt denken und antizipieren. Da geht es nicht darum, wie komm ich jetzt nach innen und dann am Vordermann vorbei. Da steckt viel mehr Planung und Klugheit dahinter als man gemeinhin denkt.

Wenn Pink Floyd ein Rennfahrer wäre, dann wäre es …

Ohne Frage: Ayrton Senna. Glamourös, brillant, der Größte! Haha.

Was ist die beste Rennstrecke der Welt?

Die außergewöhnlichste Strecke, die ich je gefahren bin, ist der Nürburgring. Es ist gefährlich, furchteinflößend, altehrwürdig und einfach sehr groß. Historisch gesehen ist Spa mit Sicherheit auch sehr interessant, genauso wie Le Mans oder Monaco. Der Nürburgring hat mir aber am meisten imponiert.

Wieso?

Du hast 176 Kurven, 13 Meilen Strecke und zu sehen wie die wirklich großen Fahrer diese Strecke meistern, ist und bleibt eine Sache für sich. Wie man dort mit dem Wetter umgeht und immer mehr aus der Strecke rausholen kann. That‘s the thing!

Fehlt ein Auto in der Mason‘schen Autosammlung?

Es gibt gar nicht so viele, die ich noch kaufen wollte, aber einige, die ich noch gerne fahren würde. Ein Ferrari Testarossa zum Beispiel, einige Aston Martins oder Maseratis.

Wenn du dich zwischen Musik oder Autos entscheiden müsstest. Für was würdest du dich entscheiden?

Musik! Da bin ich einfach besser. Musik auch deshalb, weil man anderen Menschen damit eine Freude machen kann. Motorrennen sind hingegen ziemlich egoistisch. Umso älter man wird, desto ein besserer Mensch will man werden. Ich liebe Autos. Aber der Grund, wieso ich es so liebe, ist auch, dass ich darin ein Amateur bin und relativ unverkrampft an die Sache gehen kann.

Was für musikalische Projekte gibt es momentan bei dir?

Ich arbeite noch viel an Pink Floyd-Sachen. Die gesamte Bandgeschichte, die es aufzuarbeiten gilt. Wir sprechen über neue Versionen von Dark Side of the Moon oder auch spezielle Editionen von sehr frühen Alben, Demos, die kaum einer bislang gehört hat. Ich würde gerne eine Planetarium-Show mit Pink Floyd-Musik machen. Das sind Dinge, mit denen ich mich im Moment auseinandersetze. Ich habe mich also noch nicht zur Ruhe gesetzt.

Pink Floyd Hangar

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